5/16/2011

Fado

Fisch sagte, sie sei neidisch auf meine Freiheit. Ich war nicht überrascht. Das war nicht das erste Mal, dass sie mir das sagte. Dennoch brachten mich ihre Worte immer wieder zum Nachdenken.

Ich machte mein Fenster auf und ließ die feuerrote Abendsonne meinen Körper streichen. Der kühle und doch warme Wind brachte mir sommerliche Gefühle. Eine Zigarette, ein Glas Weisswein, ein paar leckere Oliven... Ich suchte meine Fado CD wieder raus und mein Herz war bereit zu fliegen.

Der Süden! Mein heißgeliebter Süden! Die feinfühlige, melancholische Fado Musik brachte mich zurück nach Portugal, zu der Wärme und ihrer Schönheit. Die gebogenen, gekrümmten Gassen der Hafenstädtchen, die weißen Dachziegeln und blau gestrichenen Wände, die vor der Tür sitzenden, sich unterhaltenden alten Herren, das unwiderstehliche durch Fenster in die Straßen drängende Aroma von Omas Rezept, der ruhige Spaziergang nach dem Abendessen am Strand... Für Stadtkinder wie mich ist der Sonnenuntergang am Meer unbeschreiblich. Der geistige Horizont streckt bis dort, wo die Sonne verschwindet. Und wenn Lichter der Stadt heller werden und der Himmel dadrüber zum Sternemeer wird, kehrt man zurück beim Lauschen der Wellen in der Ferne und Fußgänger, die einem entgegen kommen.

In der Hauptstadt Lisabon allerdings fängt das Leben gerade wieder an. Außerhalb der Stadt hört man auch das Meer; inner gibt es auch unzählige gebogene und gekrümmte Gassen; es sind zwar viel mehr Lichter als in anderen Städtchen aber nicht unbedingt viel heller; zwischen den Straßen herrscht das ähnliche Aroma, das aber ohne Fado sich kaum abschmecken lässt. Fado ist die mit französischer Chanson vergleichbare traditionelle portugesische Musik, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Es war mal die Zeit, dass noch alle Familienmitglieder abends zusammen essen gingen und dabei Fado live genoßen. Heutzutage ist es eher eine Touristenattraktion geworden. Das kommerzielle mag die Ursprung von Fado in die Vergessenheit getrieben haben, auf gar keinen Fall aber ihre Schönheit. Für mich ist Fado sogar viel mehr herzensgreifend. Sie ist immer wohlklingend, erzählend wie ein kleines Bach aus einer klaren, saften Wasserquelle, das gerade flussabwärts runterfließt. Und sie ist so melancholisch, so blendend, wie ein frisch verliebtes Mädchen, das sich von seiner leidenschaftlichen Liebe nicht trennen könnte. Weniger volltönend und klar als spanische Musik, ein Hauch mehr Bitterkeit als französische gewürzt mit romantischen Träumen. Sie hat die arabische Einflüsse perfekt aufgenommen dennoch ihren eigenen Stolz und ihre Würde kein bisschen gerührt. Sie ist wie das Land, das sie geboren hat, voller Schönheit und Zärtlichkeit, unnachgiebig beharrlich jedoch tolerant und nachsichtig. Sie ist zwar still, aber die enorme Kraft hinter dieser Stille ist nicht zu übersehen. Keine Frage, Fado-Versteher sind Fado selbst.

Auch wenn sich der Körper nicht frei bewegen kann, ist die Seele noch frei zu fliegen. Alles, was ich will, ist fleißig leben.

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