Ich machte mein Fenster auf und ließ die feuerrote Abendsonne meinen
Körper streichen. Der kühle und doch warme Wind brachte mir sommerliche Gefühle. Eine Zigarette, ein Glas Weisswein, ein paar leckere Oliven... Ich
suchte meine Fado CD wieder raus und mein Herz war bereit zu fliegen.
Der Süden! Mein heißgeliebter Süden! Die feinfühlige, melancholische Fado
Musik brachte mich zurück nach Portugal, zu der Wärme und ihrer Schönheit.
Die gebogenen, gekrümmten Gassen der Hafenstädtchen, die weißen Dachziegeln und
blau gestrichenen Wände, die vor der Tür sitzenden, sich unterhaltenden alten
Herren, das unwiderstehliche durch Fenster in die Straßen drängende Aroma von
Omas Rezept, der ruhige Spaziergang nach dem Abendessen am Strand... Für
Stadtkinder wie mich ist der Sonnenuntergang am Meer unbeschreiblich. Der geistige
Horizont streckt bis dort, wo die Sonne verschwindet. Und wenn Lichter der
Stadt heller werden und der Himmel dadrüber zum Sternemeer wird, kehrt man zurück
beim Lauschen der Wellen in der Ferne und Fußgänger, die einem entgegen kommen.
In der Hauptstadt Lisabon allerdings fängt das Leben gerade wieder an. Außerhalb
der Stadt hört man auch das Meer; inner gibt es auch unzählige gebogene und
gekrümmte Gassen; es sind zwar viel mehr Lichter als in anderen Städtchen aber
nicht unbedingt viel heller; zwischen den Straßen herrscht das ähnliche Aroma,
das aber ohne Fado sich kaum abschmecken lässt. Fado ist die mit französischer Chanson
vergleichbare traditionelle portugesische Musik, die von Generation zu
Generation weitergegeben wird. Es war mal die Zeit, dass noch alle
Familienmitglieder abends zusammen essen gingen und dabei Fado live genoßen. Heutzutage
ist es eher eine Touristenattraktion geworden. Das kommerzielle mag die
Ursprung von Fado in die Vergessenheit getrieben haben, auf gar keinen Fall aber ihre
Schönheit. Für mich ist Fado sogar viel mehr herzensgreifend. Sie ist immer
wohlklingend, erzählend wie ein kleines Bach aus einer klaren, saften Wasserquelle,
das gerade flussabwärts runterfließt. Und sie ist so melancholisch, so
blendend, wie ein frisch verliebtes Mädchen, das sich von seiner
leidenschaftlichen Liebe nicht trennen könnte. Weniger volltönend und klar als
spanische Musik, ein Hauch mehr Bitterkeit als französische gewürzt mit
romantischen Träumen. Sie hat die arabische Einflüsse perfekt aufgenommen
dennoch ihren eigenen Stolz und ihre Würde kein bisschen gerührt. Sie ist wie
das Land, das sie geboren hat, voller Schönheit und Zärtlichkeit, unnachgiebig
beharrlich jedoch tolerant und nachsichtig. Sie ist zwar still, aber die enorme
Kraft hinter dieser Stille ist nicht zu übersehen. Keine Frage, Fado-Versteher
sind Fado selbst.
Auch wenn sich der Körper nicht frei bewegen
kann, ist die Seele noch frei zu fliegen. Alles, was ich will, ist fleißig
leben.
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