Das erste Mal, als ich wegreiste, nachdem ich nach Europa kam, war ich in
Spanien. Die einzige Reise, die ich hier ganz allein gemacht habe, war auch in
Spanien. Die Eindrücke, die die Hauptstadt mir hinterlassen hat, waren vor
langer Zeit schon verschwommen. Das, was immer wieder vor meinen Augen
zurückkehrt, ist die alleinige Reise.
Ich bin ein Mensch, der seine Erinnerungen gerne mit Jahreszeiten und
Wetter verbindet. Bewusst oder unbewusst. Nachdem es plötzlich so kalt wurde,
dass man fast vergessen hat, dass es eigentlich schon Sommer ist, zeigte der
Himmel heute plötzlich sein schönstes Gesicht, und mit dem
Körper-und-Haare-sanft-streichelnden Wind duftete es in meiner Nase genau so
wie auf dieser alleinigen Reise in Barcelona.
Das ist eine der wenigen Städte, wo ich meine Fussstapfen hinterlassen
habe, die mein Herz bis heute fesseln. Das ist eine Stadt voller Wind. Es war
noch kein richtiger Sommer als ich da war, aber der warme Meereswind wehte von
erster Begegnung an all die Sorgen weg, und fing mich auf, als ich diese Überraschung
noch gar nicht wahrnehmen konnte. Manche sagen, Barcelona sei erst nach den
olympischen Spielen in 1992 zu einer richtigen internationalen Stadt geworden.
Das kann ich nicht beurteilen. Was ich weiss, ist, es gibt wenigstens genau so
viele Filme und Geschichten über Barcelona wie über Paris. In meinen Augen hat
Barcelona sogar noch ein Stückchen mehr an Romantik als Paris. Wenn einer Stadt das
Wasser fehlt, ist sie wie Augen ohne Seele. Dieses Vorurteil sitzt schon seit
ewig tief in meiner Vorstellung drin, ohne das ich einen Ort überhaupt nicht
bewerten könnte. Die Berühmtheit de La Seine ist schon längst dank der
Verschmutzung in die Vergessenheit geraten, geschweigedenn sie mit dem endlosen
sonnigen Mittelmeerstrand in so einer Stadt wie Barcelona zu vergleichen. Und
wenn man vergleichen muss: Statt des Pariser mittelbürgerlichen Künstlerduftes
zieht mich viel mehr die buntgemischte freche Collage Barcelonas an. Dennoch
ist es unfair diese beiden Städte zu vergleichen; denn Paris als der lange Zeit
Mittepunkt Europas kann die Spuren der Geschichte nicht vertuschen. Eigentlich
finde ich Paris auch sehr charmant- nur anders als der Charme mit Herzlichkeit,
Liebenswürdigkeit und Gewogenheit von Barcelona beinhaltet der Pariser Charme
auch eine gewisse Furcht und Respekt.
Vielleicht hat das alles mit dem Reisenden selber zu tun. Ich war wie ein
kleiner Vogel, der endlich aus dem Netz alleine fliegen und nie genug von der
freien Luft atmen konnte. Ich traff meine ewig-nicht-gesehene Freundin und ihre
Freunde; meine Freude war nicht zu verbergen. Beim Tageslicht spazierte ich
rucksacktragend durch Strand, Park, Museen und Gassen, unterhielt mich auf
verschiedenen Sprachen mit Menschen verschiedenster Herkuft. Das kleine Interludium
meiner Reise, dass ich beinah auf der Strasse übernachtet hätte, oder der Dieb,
den ich erwischt habe, als er meine Tasche aufmachte, oder die Verehrer, deren
Gesichter ich mir gar nicht merken konnte... Ist meine Sprache zu mager oder
mein Erinnerungsvermögen zu schwach? Ich kann meine Reise nicht mehr mit
Worten beschreiben. Alles, was mir jetzt vor Augen übrig bleibt, ist Gespür,
Geruch, Lichter und unzählige Foto ähnliche unbewegliche Bilder der Szenen.
Genau wie dieser Wind, der mich wieder zu dem weiten Strand kurz vor meinem
Abflug brachte: die Sonne brennt meinen Rücken, der Wind wehte meine lange
Haare zum Tanzen. Ein Einzelgänger kam und fragte nach einer Zigarette. Wir
gaben uns ein Lächeln, setzten uns wieder hin, sprachen kein Wort. Nur Gedanken
reisten wieder ab in die Ferne. In einem Film, der in Barcelona spielte, sagte
der Mann, „Liebe ist nur dann romantisch, wenn sie unerreichbar ist“. Dann lass
mich diesen einen Moment in Nostalgie und Hoffnung verbringen.
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